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Neue, alte und vergessene Mittel
New, Old and Forgotten Remedies
Buchbesprechung aus der AHZ – Allgemeine Homöopathische Zeitung – 2007/252
Das Materia-medica-Studium steht nicht in dem Ruf, zu den unterhaltsamsten Beschäftigungen zu zählen. Doch wenn es mit Geschichten unterlegt ist – wie zum Beispiel mit der indianischen Tradition von Skookum chuck, einer Arznei, die einst neu, inzwischen alt und vergessen scheint, fängt die Lektüre an, Spaß zu machen.
In der von Edward Pollock Anshutz (1846–1918) – wenngleich kein Arzt, so doch wichtiger homöopathischer Publizist – zusammengestellten Sammlung weniger bekannter Arzneien, werden diese nicht nur nach dem „Kopf-zu-Fuß-Schema“ dargestellt, sondern auch in ihrem Anwendungsbereich diskutiert und differenziert. So werden Bacillinum, Tuberculinum und Aviaire verglichen und Burnetts Ansichten zur Heilung der Schwindsucht problematisiert. Ficus religiosa wird anhand der Prüfungsberichte des indischen Arztes Sarat Chandra Ghose dargestellt, der die Arznei nicht nur an sich selbst, seiner Frau, sondern auch an einem Hund prüfte und diese Erfahrungen durch zehn Anwendungsberichte bereichert. Ein heroischer Prüfungsbericht von Heloderma horridus vermittelt einen bleibenden Eindruck dieser tief wirkenden Arznei. Und so könnte man fortfahren, die von Anshutz aus der internationalen Literatur gehobenen Schätze einzeln zu bewundern. Dabei stellt sich immer wieder die Frage nach der Geschichte des Verdrängens und Vergessens mancher Arzneien. Bereits zur Zeit von Anshutz wurde festgestellt, dass eine am falschen Ort publizierte Prüfung (z.B. Gunpowder) eine Arznei ins Abseits stellen kann. Desgleichen bemerkten Zeitgenossen, dass es in der Materia medica kein gut geprüftes Mittel von gleichem Wert wie Fagopyrum gäbe, „das so gänzlich vom homöopathischen Berufsstand übersehen worden ist“.
Bei Epigea repens, einem Ericaceengewächs, findet sich der Hinweis auf eine beigefügte Abhandlung von Haie, in der die alte Doktrin der Signaturenlehre wieder hervorzukommen scheine. Diese Abhandlung fehlt im vorliegenden Band, vielleicht auch in der der Übersetzung zugrunde liegenden indischen Ausgabe. Ein Vergleich mit der Originalausgabe von 1900 bzw. 1910 könnte Klarheit bringen und eventuelle Differenzen zwischen dem amerikanischen Original und der indischen Version aufzeigen.
Abgeschlossen wird das von Renée von Schlick gelungen ins Deutsche übertragene Werk durch ein therapeutisches und klinisches Verzeichnis. Insgesamt ein Buch, dem man viele begeisterte Leser wünschen darf.
Rainer C. Appell
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